12. November 2020
Im Rahmen einer Studie des Dortmunder Konzerthauses haben Forschende des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts (HHI) in Zusammenarbeit mit der Firma Parteq, die auf Messtechnik spezialisiert ist, die Verbreitung von Aerosolen und CO2 in einem Konzertsaal untersucht. Ziel der Studie ist es, experimentelle Daten zur Beurteilung einer möglichen Corona-Ansteckungsgefahr bei Konzertbesuchen zu gewinnen.
Die vorläufige Schließung aller Kulturbetriebe durch die neuen Pandemievorschriften haben das Dortmunder Konzerthaus als erste Kultureinrichtung Deutschlands dazu veranlasst, die Ansteckungswahrscheinlichkeit in Konzertsälen bei eingehaltenen Sicherheitsmaßnahmen genauer untersuchen zu lassen. Für diese Studie führt ein Forschungsteam des Fraunhofer HHI mehrere Experimente zur Messung der Verbreitung von Aerosolen und CO2 in deren Konzertsaal durch. Diverse Studien zum Thema Aerosol-Ausstoß hat es bereits zum Singen und Musizieren mit Blasinstrumenten gegeben. Dies ist die erste Studie, die die Aerosol- und CO2-Verbreitung im Zuschauerraum experimentell untersucht.
Geleitet wird das Projekt vom Leiter der Abteilung Faseroptische Sensorsysteme des Fraunhofer HHI am Standort Goslar, Prof. Dr. Wolfgang Schade. Zentrales Element der Untersuchungen ist der Dummy „Oleg“, der im Zuschauerbereich sitzt und durch einen Schlauch aus Mund und Nase genau definierte Mengen Aerosole und CO2 verbreitet – so wird die menschliche Normalatmung eines Zuschauenden simuliert. Die Verbreitung der Aerosole (Durchmesser einige Hundert Nanometer bis Mikrometer) wird mit und ohne Maske unter Berücksichtigung verschiedener Einflussszenarien, wie beispielsweise der thermischen Wirkung von Publikum, welches sich um den Dummy herum befindet, gemessen. Dafür wurden Mitglieder der Dortmunder Philharmoniker während einer Probe gebeten, sich ins Parkett zu setzen.
Die ausgeschiedenen Aerosolpartikel verändern sich je nach Umgebungsbedingungen in ihrer Größe und Zusammensetzung; Partikel schrumpfen beispielsweise beim Übergang aus den Atemwegen in die Raumluft durch Verdunstung an enthaltenem Wasser. Insbesondere die Lüftung und Temperatur des Konzertsaals beeinflussen die Verteilung der Partikel und des CO2-Ausstoßes maßgeblich. Die Prozesse, die zur Ausbildung und Veränderung der Aerosol- und CO2-Konzentrationen führen, sind von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren abhängig und im Einzelfall kaum vorherzusehen. “Wir möchten herausfinden, wie die Belastung in der Nähe des Dummys ist, um daraus ableiten zu können, welche Personen in der Nähe grundsätzlich gefährdet sein könnten oder auch nicht", so Prof. Dr. Schade.
Erste Auswertungen der Untersuchungen im Konzerthaus Dortmund deuten bereits darauf hin, dass die dort installierte Lüftungsanlage schon auf sehr kurze Distanzen erhebliche Verdünnungseffekte von konzentriert eingeleiteten Aerosolen und CO2 erzeugt. Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen dazu beitragen, eine Risikobewertung zur Infektion mit Sars-CoV-2 Viren beim Besuch von Konzerten auf der Basis experimentell gewonnener Daten zu ermöglichen. Ob sich die Erkenntnisse auch auf andere Kulturhäuser übertragen lassen oder ob dort ggf. auch entsprechende Messungen durchgeführt werden müssen, ist derzeit noch nicht absehbar. Auch für die Belüftung von Klassenräumen in Schulen und Hörsälen an Universitäten könnten die Ergebnisse der Studie wertvolle Beiträge zur Gefährdungsbeurteilung liefern.