22. November 2021
Mit fortschreitender Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft stößt die jetzige Netzinfrastruktur in Kürze an ihre Kapazitätsgrenzen. Im Verbundprojekt STARFALL (Skalierbare TerminalARchitekturen und -subsysteme für FAseroptisches RaummuLtipLexing) forscht das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) jetzt an neuartigen, kosteneffizienten Architekturen von Transceivern zur simultanen Übertragung in mehreren räumlichen Kanälen. Die Ergebnisse sollen in einen anwendungsnahen Demonstrator überführt werden. Das Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren wird mit insgesamt 2,3 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Neben dem Fraunhofer HHI ist ADVA Optical Networking SE sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) am Projekt beteiligt.
Im Rahmen des Projekts entwickeln die Forschungsgruppen „Optische Untersee- und Kernnetze“ und „Digitale Signalverarbeitung“ der Abteilung „Photonische Netze und Systeme“ des Fraunhofer HHI Netzplanungs- und Netzsteuerungswerkzeuge für optische Netze mit Raummultiplexing, sogenannte SDM-Netze. Darüber hinaus führen sie eine praxisnahe experimentelle Validierung der im Projekt entworfenen digitalen Signalverarbeitungsalgorithmen mittels eines Echtzeit-SDM-Demonstrators durch.
Optische Technologien mit Raummultiplexing ermöglichen Kapazitätssteigerungen bei der Datenübertragung. Sie bilden das Rückgrat der digitalisierten Welt. Befeuert durch datengetriebene Anwendungen sowie leistungsfähige Mobilfunktechnologien wie 5G und bald 6G wird ein Anwachsen der Kapazität in Metro- und Kernnetzen auf insgesamt mehr als 1,5 Pbit/s im Jahr 2030 erwartet. Um diesen und zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden, ermöglicht Raummultiplexing, also die parallele Übertragung über unabhängige Einzelfasern als auch über neuartige Mehrmoden- und Mehrkernfasern, den dringend benötigten Kapazitätssprung in den Netzen.
Die große Attraktivität von SDM liegt in der linearen Skalierung der Kapazität mit der Anzahl der genutzten Raumpfade. In SDM-Rekordexperimenten konnte bereits die Übertragung von Datenraten von mehr als 10 Pbit/s über eine Mehrkernfaser demonstriert werden. Jedoch sind die bislang verwendeten Terminal-Realisierungen unter ökonomischen Gesichtspunkten, beispielsweise bezüglich der Leistungsaufnahme sowie des Datendurchsatzes der digitalen Signalverarbeitung, für eine hohe SDM-Kanalzahl nicht praktikabel. Aus diesem Grund sind Terminals für SDM-Systeme weiterhin Forschungsgegenstand. Für sie gibt bisher keinen Industriestandard.
Im Projekt STARFALL entwickeln die Forschenden eine innovative und energieeffiziente Terminal-Architektur, in der erstmals kanalübergreifende Subsysteme auf optischer Ebene zum Einsatz kommen. Dies gelingt durch einen monolithisch integrierten Laserkamm als sendeseitiges „optisches Netzteil” sowie auf der Empfangsseite durch SDM-optimierte Superkanal-Empfangsschemata und kanalübergreifende digitale Signalverarbeitung. Hier kommen kooperierende Funktionsblöcke mit variablem Informationsaustausch zwischen Datenkanälen zum Einsatz. Gleichzeitig findet ein optimiertes Zusammenwirken der optischen und digitalen Subsysteme statt, indem beispielsweise in der digitalen Signalverarbeitung gezielt Eigenschaften der gekoppelten Kamm-Laserlinien ausgenutzt werden. Hierdurch wird der benötigte Rechenaufwand pro Taktzyklus minimiert.
Die spezifischen Arbeitsziele des Fraunhofer HHI umfassen einerseits die Erforschung und Implementierung von QoT-basierten Netzplanungs- und Netzsteuerungswerkzeugen für SDM-Netze mittels orthogonalem Training und Verfahren des maschinellen Transfer-Lernens. Andererseits werden SDM-optimierte Verfahren der digitalen Signalverarbeitung im Hinblick auf Echtzeit-Implementierungen analysiert, bewertet und zu einem Echtzeit-SDM-Demonstrator weiterentwickelt.
Die im STARFALL-Projekt geplanten Praxisdemonstrationen des Fraunhofer HHI sind ein wichtiger Meilenstein für die praktische Entwicklung hin zu einer erfolgreichen Einführung hocheffizienter faseroptischer SDM-Systeme in optischen Metro- und Kernnetzen. Sie bereiten den Weg für die breite Anwendung von Übertragungssystemen, die auf Raummultiplexverfahren fußen und so Kapazitätsengpässen und hohem Energieverbrauch bei künftigen datenintensiven Anwendungen vorbeugen.